Yamaha R-Series Trackday am Nürburgring – Test Yamaha R1

Ich war kürzlich für racing4fun.de (siehe auch Originalartikel dort) in der schönen Eifel (= Nürburgring GP Strecke), um die aktuelle Yamaha R1 im Rahmen der Yamaha R-Series Trackdays mal einen ganzen Tag zu “erfahren”. Bisher hatte ich das Vergnügen “nur” in Mugello, dort allerdings im mehrfachen Wechsel mit anderen Moppeds, da ist es etwas schwer, ein valides Bild zu erhalten. Meine mangelnde Mugello-Streckenkenntnis half da auch nicht gerade.

Was ich aus Italien mitgenommen hatte war vor allem: Sitzposition für ein Serienmotorrad sehr passabel (“racing-optimiert), Motor + Sound Sahne, wahnwitzig viel Elektronik und ein tolles Mäusekino. Und vor allem: Macht Anleihen bei der MotoGP Maschine M1, weckt Begierde 😉

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Die Veranstaltung wurde organsatorisch von Dunn Racing betreut – und zwar prima – und fand entweder als “Untermieter” oder in Kooperation mit BikersDays statt, wie da genau der Zusammenhang war, habe ich jetzt nicht näher gefragt, war ja nicht von Belang. Hat auf jeden Fall alles gut geklappt. Einziger kleiner Kritikpunkt vielleicht der Teil der Fahrerbesprechung, wo’s um die Fahnenkunde ging und darum, was man wie und wann genau zu tun hat, das kam m.E. etwas arg kurz im Vergleich zum Rest. Ich fühl mich schon besser, wenn das nochmal jedem klar gesagt wird, dass man bei Rot nicht anhält und so 😉

Das Wetter war traumhaft, das Motorrad – so viel vorab – ist es auch. Cool war die Yamaha Box (die für jeden Yamaha Fahrer, der den Yamaha Trackday buchte, offen stand): Es gab kalte Getränke, das R1 Forum hatte einen größeren Stand, außerdem konnte man Probefahrten mit der R1 machen und sich die ganze R-Series von der R125 über R3, R6 und R1 bis hin zur R1M ansehen. Neben mir als Vertreter von R4F waren noch einige weitere Blogger und Betreiber von Moppedforen dabei (wobei, eigentlich gibt es nur ein Forum auf der Welt, aber egal…). Die R1M war leider nur zum Anfixen und maximal Anfassen da, nicht jedoch zum Fahren.

Kleiner Trost: Der letztjährige R6 Cup-Gewinner und diesjährige IDM Pilot Lukas Trautmann durfte auch nicht, hi hi hi.

Sehr sympathischer und cooler Typ übrigens. Wirkt extrem fokussiert und professionell, was ich bei seinem jungen Alter erstaunlich finde. Da sag nochmal einer, die Jugend hätte keine Disziplin 😉

Aber zurück zum Thema: Probefahrt, darum war ich ja hier: Yamaha hatte bei der Präsentation ziemlich mit Superlativen um sich geworfen und die Kombination aus 200 PS und 199 kg Fahrzeuggewicht macht schon Laune. Endlich mal ist man auf den Geraden kein Opfer der S1000RR Armada mehr. Ich als R6 Fahrer bin es ja eher nicht gewohnt, auf der Geraden zu überholen, macht aber auch mal Bock, find ich. Wheelies einfach dank Motorleistung fahren zu können auch.

Die Maschinen waren natürlich absolut Serie, d.h. mit Kennzeichen, Spiegeln und so. Nur mal Zwischendurch: “Kennzeichenfahrer” kannte ich als Beleidigung bis heute noch gar nicht, find ich aber super. Rennreifen und Reifenwärmer gab’s nicht, aber der straßenzugelassene Pirelli Diablo Supercorsa SP schlug sich auch bei den hohen Temperaturen sehr gut. Würde eigentlich auch gerade bei einem Motorrad mit einem so umfangreichen Paket an Assistenzsystemen Sinn machen, mal schlechtere Reifen zu montieren, um den Regelbereich zu zeigen…

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Die Sitzposition – s.o. – passt mir schonmal recht gut für ein Serienmotorrad. Meine R6 ist deutlich extremer (Heck/Höcker höher, Rasten höher etc.), aber damit fahre ich ja auch nicht auf der Straße rum. Auf der R1 fühlte ich mich auf jeden Fall passend einsortiert: Sitz auch recht hoch, passend geformter Tank, schlanke Silhouette (ja ja, ich weiß dass der Teil eigentlich gar nicht zu mir passt, ha ha).

Für 100% Rennstrecke könnte es hier und da noch etwas mehr sein, aber das ist so aus dem Werk schonmal ganz was anderes als die 1000er BMW. Vom Gefühl – beim Aufsitzen wie beim Fahren – kommt es für mich eher der sehr agilen Aprilia RSV4 nahe.

Alles andere – sprich eine zivilere und weniger auf Racing zielende Ausrichtung – würde bei der R1 allerdings auch nicht zu den Pressemitteilungen passen, in denen genau das immer wieder als DNA der R1 beschrieben wird: Alles neu, alles verschärft und alle alten Zöpfe mit besten japanischen Schwertern abrasiert, sozusagen. Ansage dazu aus der Pressemitteilung gefällig? “Mit modernster Technologie aus dem MotoGP-Rennsport ist die R1 nun ein Sportler, der primär für den Rennstreckeneinsatz konzipiert ist.”

Erweckt man die R1 zum Leben, erfreut sich der geneigte Computerfuzzi an einem gut ablesbaren Tacho/Display, über den auch alles mögliche (Traction Control, Wheely Control, Slide Control und vieles mehr, Erläuterungen folgen unten) konfigurierbar ist. Sehr, sehr cool.

Das Mäusekino fährt also hoch, ich setze alle Einstellungen zurück, stelle die für mich wichtigen 4 Parameter für die Assistenzsysteme ein und bin startklar. Dauert so ca. 15 sek. – versuchen Sie das mal mit einem Vergasermotorrad und Umdüsen…

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Yamaha hat einen “Online Simulator” für das Kombiinstrument veröffentlicht, in dem man sich schonmal ansehen kann, was und vor allem wie das alles so geht:

Yamaha R1 Dashboard Simulator öffnen

Super Spielzeug 😉

OK, Maschine läuft also und klingt toll – wenn man auf Ohrenstöpsel verzichtet, ohne die ich sonst nicht aufs Motorrad steige. Beim Losfahren nochmal schnell rekapitulieren, was man da bewegt: Ca. 200 PS, diverse Einstell- und Assistenzsysteme. Viel Power also, aber auch viel Elektronik, die sich gegen die dunkle Seite der Kraft bzw. Macht stemmt und den Fahrer unterstützt. Alles Easy, also, na klar.

Nun mal raus auf die Strecke! Der Veranstalter verlautbarte gleich zu Anfang: “Auf meinen Events stürzt keiner!” – mutige Aussage, fand ich, aber ich verstand dann auch, warum der erste Turn mit Instruktor sein sollte. Gut gut, also ein paar Runden hinterher und dann konnte der gute Mann alleine fahren und genießen – und wir auch.

Boxenausfahrt raus, mit etwas mulmigem Gefühl in den Haug-Haken (da hab ich schonmal mit kalten Reifen gelegen, das bleibt irgendwie haften…) und spätestens ab der Dunlop-Kehre sollte der Reifen bei den warmen Temperaturen wohl Haftung haben – so weit, so gut. Auch wenn der Nürburgring sehr nah ist: Meine Hausstrecke würde ich das nicht nennen, aber zumindest weiß ich halbwegs, wo’s wo lang geht. Das ist doch sehr hilfreich, wenn man ein fremdes Motorrad fährt, was eh schon Hundert Neuigkeiten parat hat.

Einziger Punkt zum Umgewöhnen: Man kommt mit der 1000er schon schneller an den Kurven an als mit der R6, die Bremspunkte muss man sich also etwas verschieben. Die Bremsanlage ist aber adäquat und kann die Bewegungsenergie auch wieder zu nichte machen.
– à propos Bewegungsenergie: In Sachen Leistungswerten und nicht zuletzt auch Fahrleistungen tun sich die aktuellen 1000er Superbikes ja alle nicht allzu viel, egal ob wir z.B. von BMW oder von Yamaha reden. Leistung satt und um die 200 PS haben beide.

Ich fand allerdings die R1 trotz einer anfangs etwas ruppigen Gasannahme (die durch 2 Klicks zu beheben war) besser beherrschbar. “Fahrbarkeit” ist ja selbst bei den Aliens in der MotoGP heutzutage wichtiger als die reine Spitzenleistung. Letztlich mag das aber auch wieder der Sitzposition geschuldet sein: Auf der BMW im Serientrimm war ich so herumgerutscht, dass sich das ganze natürlich nicht allzu “fahrbar” anfühlte. Auf der R1 kann man sich in die Rasten stellen und sich auch ohne Stomp Grips passabel am Tank abstützen, das hilft ohne Frage.

Beschleunigt haben wir also, nun bremsen wir doch mal, wie fühlt sich das an? Zumindest habe ich auf der trockenen Strecke vom ABS nichts merken können. Die Verzögerungswerte waren auf dem zu erwartenden hohen Niveau. Beim Einlenken auf der Bremse fühlte sich die R1 dann zwar nicht wie eine 600er an, aber so langsam nähert sich das schon an.

Beim ABS wäre es allerdings schlau, wenn es sich im Kiesbett automatisch abschalten könnte, da hätte ich nämlich lieber mit blockiertem Hinterrad gebremst statt mit ABS so gut wie gar nicht 😉

Naja, unten im Dunlop-S ist ja zum Glück genug Platz, passte also auch so, ohne die Selbstbeteiligung auspacken zu müssen.

Im Kurvengeschlängel ist die R1 agiler als sonstige 1000er und geht willig auch tiefe Schräglagen, bis zur R6 ist es dann aber doch noch ein Stück. Glück gehabt 😉

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Das einzige, was ich wirklich vermisst habe, ist wohl ein Schaltautomat wie an der 2015er BMW, der Rauf- und Runterschalten unterstützt. “Vermisst” ist sicher zu viel gesagt, sowas habe ich bei mir ja auch nicht, aber das war halt sehr schick beim Test der BMW.

Puristen – gerne auch die erfahreneren Semester in racing4fun.de – verteufeln ja gerne die Fahrhilfen, die sich in den letzten 10 Jahren der Motorrad Evolution entwickelt haben. Kann ich offen gestanden nicht nachvollziehen. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl der Bevormundung (außer im Kies, siehe oben). Ganz im Gegenteil fand ich es extrem beruhigend, auf etwas Support im Hintergrund bauen zu können.

Bei der R1 dreht sich alles um die zentrale Sensor-Einheit namens “IMU” (6-axis Inertial Measurement Unit). Hier laufen alle Meßwerte (z.B. Neigungs-, Roll- und Gierbewegung, Beschleunigung etc.) zusammen – 125x in der Sekunde. Von hier laufen die Daten dann über einen CAN Bus zu den diversen Assistenzsystemen.

Für diese kommt die R1 mit 4 Presets, die unterschiedlich stark eingreifen und individuell angepasst werden können. Ich bin der Empfehlung von Yamaha gefolgt und den ersten Turn erstmal mit einem mittelstark regelnden Modus gefahren, um auch mal die Traktions- und Slidekontrolle zu bemerken. Dass ich die hätte auseinander halten können wäre auf jeden Fall gelogen, dafür bräuchte zumindest ich mehr Zeit. Gemerkt habe ich etwas wie einen minimalen Rutscher, der sich sanft und extrem schnell in normalen Vortrieb wandelte. Viel besser, als das Thema per Highsider abzuschließen und auch besser, als stumpf Leistung wegzunehmen. Die Idee der Slide Control ist ja, sanftes Slides zu erlauben und bei zu heftigem/plötzlichen Rutschen einzugreifen.

Die Kombibremse (Hinterrad bremst elektronisch geregelt mit, wenn man den Bremshebel zieht) konnte ich nicht “erfühlen”. In der Theorie sollte die Maschine beim Anbremsen dadurch stabiler werden. Stabil ist sie, aber wie es mit vs. ohne im Vergleich wäre, liess sich nicht ermitteln. Das System ist übrigens so schlau, in Kurven abhängig von diversen Meßwerten das “Mitbremsen” zu reduzieren.

In den folgenden Turns habe ich dann mal etwas die Einstellungen modifiziert, d.h. sukzessive immer weniger Eingriff “bestellt”, wonach ich von den ganzen Dingen dann nichts mehr merkte. Das wiederum dürfte bedeuten, dass ich viel zu wenig am Kabel gezogen habe, eine miese Lusche bin und die R1 sowieso nicht verdient habe – und das ist nichtmal zu 100% als Ironie zu verstehen. Aber Yamaha suchte ja auch keinen Entwicklungsfahrer für die R1, sondern eben Leute aus verschiedenen “Leistungsklassen”, sprich: Hobby-Fahrer.

Kann nun mit sowas jeder dressierte Affe schnell fahren? Ich meine nicht, denn Dinge wie den Bremspunkt finden, sich ans Limit tasten, schnell durch die Kurve fahren etc. macht auch die R1 nicht für den Fahrer. Sie reduziert lediglich erheblich das Risiko, wenn man sich an die Grenzen der Fahrphysik oder des eigenen Könnens annähert und mal einen Fehler einbaut. Und mal Hand aufs Herz: Hier mögen die meisten sowas fahren können, aber welcher “Nicht-Rennstrecken-Fahrer” kann denn mit so einer Rakete umgehen?

Letztlich wird es sein wie immer bei technischem Fortschritt: Einige wollen ihn nicht, kommen wird er zweifelsohne. Allein der Blick ins Elektronikpaket der MotoGP dürfte das belegen.

Sehr gespannt warte ich noch auf mehr Infos zu den Netzwerkfähigkeiten der R1M: die spannt wohl ein eigenes WLAN auf, über das man sich per App verbinden und u.a. das Datarecording abrufen kann. Ich konnte bisher leider noch nicht ermitteln, was da genau genutzt wird und was man damit sonst noch cooles machen kann 😉

Randnotiz: Einen Turn bin ich zusammen mit Rainer vom Fireblade Forum mal eine Runde mit der YZF-R3 gefahren, was schwer lustig war (320ccm Hubraum, 42 PS, ca. 170 km/h). Lustig – aber meine Statur tendiert leider immer mehr zur 1000er…

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Beim Lesen fällt mir gerade auf, dass ich dauernd den Vergleich mit der BMW S1000RR bemühe. Damit bin ich nicht alleine, das macht auch so ziemlich die gesamte Motorradpresse, ob on- oder offline. Ist schon bemerkenswert, was für eine Benchmark BMW da vor ein paar Jahren auf den Markt geworfen hat. Es sah fast so aus, als wären die japanischen Hersteller träge geworden. Und genau dann stellt BMW die S1000RR mit allerlei Hilfsmitteln, extremen Leistungswerten und einem “japanischen 08/15 Konzept” (Gabel, Rahmen, Motorkonzept etc.) hin.

Nach den letzten 20-30 Jahren, in denen die Japaner große Teile des Motorradmarktes quasi im Alleingang bedienten, war das sicher eine Überraschung. Genauso überraschend fand ich, wie lange die Antwort auf sich warten ließ. Yamahas Antwort – meines Erachtens die erste ernstzunehmende aus Japan – finde ich auf jeden Fall so gelungen, dass kommendes Jahr sowas ins Haus muss. Und zwar bitte eine R1M, weil die noch mehr Spielzeug mitliefert (u.a. das Data Recording), vor allem aber wegen des elektronisch regelbaren Fahrwerks, was ausgehend von einem Basissetup 125x je Sekund die Dämpfer an die aktuelle Fahrsituation anpasst. Das müsste für Hobbyfahrer der Hammer sein denke ich. Ich weiß schon was ich so tue, wenn ich mein Fahrwerk verstelle und habe auch eine taugliche Dokumentation, aber mein Hauptberuf ist eben doch nicht Moppedschrauber oder -racer, sondern Schreibtischtäter. Ich muss mich als immer neu reinfinden, gehe ggf. erstmal in die falsche Richting etc. – und für meine Ansprüche würde der “Fahrwerks-Autopilot” vermutlich bessere Ergebnisse bringen.

Yamaha-San, eine R1M, bitte. Wann können Sie liefern?

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